Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel

In der aktuellen Ausgabe des Magazins Neon 09/2013 stellt sich Angela Merkel den Fragen von Patrick Bauer und Sascha Chaimowicz.

Titel des Artikels: “Frau Merkel, wissen sie, was ein Browser ist? – Wie gut kennt Angela Merkel das Leben junger Menschen?”

Patrick Bauer und Sascha Chaimowicz stellten im Interview auch Fragen zu den Themen Vermögen und Einkommen.

Neon: Was spricht gegen eine Vermögenssteuer?
Angela Merkel: Dass man Menschen, die schon Steuern gezahlt haben, dadurch noch mal besteuert, weil sie erfolgreich waren.

Auf den ersten Blick ist diese Antwort für viele Menschen schlüssig. Angela Merkel begründet ihre Position mit den Worten “weil sie erfolgreich waren”. Nicht weil sie fleißig oder besonders sparsam waren. Dabei kann Vermögen durchaus durch Fleiß und Sparsamkeit entstehen.
Doch wie sieht die Realität aus? Die Vermögen wachsen zu größten Teil nicht durch Fleiß und Sparsamkeit, sondern leistungslos durch Zins und Zinseszins. Die Bundesbank spricht in mehreren Monatsberichten über die “Selbstalimentation der Geldvermögensbildung”. Im Monatsbericht vom Oktober 1993 schätzt die Bundesbank diese zinsbedingte Zunahme der Geldvermögen auf 80% der Neuersparnis.

Durch die Diskussion in den Medien fühlen sich viele Menschen von dieser Steuer bedroht. Von 1950 bis 2010 sind in Deutschland die Geldvermögen von Privathaushalten, Unternehmen und Staat von rund 60 Mrd. DM auf rund 8.000 Mrd. Euro angewachsen. Doch wem gehören diese Vermögen und wie sind sie verteilt? Rund 60% des Geldvermögens befindet sich in privater Hand, rund 30% gehören den Unternehmen und rund 10% gehören dem Staat. Die privaten Haushalte besitzen also den größten Teil des Kuchens.
Wer ist eigentlich wir? Eine Studie des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.) gibt Aufschluss über die Geldvermögensverteilung im Jahr 2007:

Verteilung der Nettogesamtvermögen aller Bundesbürger über 17 Jahre DIW 2007

Die unteren 50% besitzen im Mittel nichts. Die oberen 10% besitzen 61,1% der privaten Geldvermögen. Die reichsten Bundesbürger über 17 Jahre verfügen über ein durchschnittliches Nettovermögen von 602.690 Euro. Das niedrigste Vermögen am linken Rand der “Reichensäule” betrug laut Studie 222.000 Euro. Das höchste Vermögen am rechten Rand der “Reichensäule” gehört einem der beiden Aldi-Gründer und betrug 2007 rund 20 Mrd. Euro.

Insbesondere die Vermögen der reichsten Bundesbürger stehen dem Wirtschaftskreislauf nicht mehr zur Verfügung. Dabei wachsen sie leistungslos durch Zinsen und damit nur durch die Wertschöpfung und Arbeit anderer. Diese Vermögen sind die wahre Ursache für stetiges Wirtschaftswachstum, Über-/Massenproduktion, geplante Obsoleszenz, Spekulation, sinkende Löhne, fortschreitenden Sozialabbau und die Zerstörung unserer Umwelt. Steigende Massenproduktion bei sinkendem Masseneinkommen – das kann nicht funktionieren. Der Geldstrom fließt geräuschlos und mit exponentieller Beschleunigung über den Zinsanteil in Preisen, Mieten, Gebühren und Steuern vom Bedarf weg hin zum Überfluss.

Dr. Alexander Dibelius, ehemaliger Assistenzarzt für Herzchirurgie, heute Chef von Goldman Sachs Deutschland und Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel kennt die Problematik: “Dass lineare oder in diesem Fall exponentielle Entwicklungen auf Dauer nicht durchzuhalten sind, lehrt schon die Biologie: Eine Bakterienkultur kann für eine gewisse Zeit exponentiell wachsen, aber irgendwann reicht der Nährstoff nicht mehr und sie bricht plötzlich zusammen. Man tut sich jedoch schwer zu erkennen, wann solch eine Entwicklung endet, wenn man selbst mitten drin steckt.”

Neon: Warum darf es keine Obergrenze für Managergehälter geben?
Angela Merkel: Diejenigen, die ein Unternehmen besitzen oder in ihm Verantwortung tragen, also der Aufsichtsrat und die Aktionäre, sollen entscheiden, wie hoch die Entlohnung der Manager sein soll. Fest steht aber, dass manche Gehälter für niemanden mehr nachvollziehbar sind.

Das Gehalt von VW-Konzernchef Martin Winterkorn belief sich im Jahre 2011 auf 17,2 Mio. Euro. Winterkorn sicherte sich mit diesem Einkommen den ersten Platz in einer Studie der Unternehmensberatung Hostettler, Kramarsch & Partner (hkp). Ohne Abgaben, Steuern und Ausgaben müsste Martin Winterkorn über 1000 Jahre arbeiten, um das Vermögen von Karl Albrecht anhäufen zu können. Ein Elektriker müsste, um das Jahreseinkommen von VW-Konzernchef Martin Winterkorn einmal zu verdienen, rund 900 Jahr arbeiten, eine Friseurin rund 1800 Jahre.

Fazit:
Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Mindestlohn und Spitzengehalt ist sicher richtig. Der Albrecht-Winterkorn-Vergleich zeigt, dass nur durch den Abbau der Vermögensberge die Schuldensümpfe trockengelegt werden können. Wenn die Spitzenverdiener bei der Überentwicklung ihrer Vermögen nicht politisch unterstützt worden wären, hätten solche riesigen Privatvermögen nicht in so kurzer Zeit entstehen können. Eine Vermögenssteuer ist richtig und wichtig, besonders für die Vermögen der Milliardäre. In einer Vermögenssteuer steckt wesentlich mehr Potential für Steuerung und Steuereinnahmen als in einer Besteuerung der Einkommen.
In einem Geldsystem mit “Fließendem Geld” kann man wirkungsvoll dem Problem der Vermögensüberentwicklung entgegenwirken und damit die Wirtschaft befreit aufatmen lassen, da auf gehortetes Geld (und auch nur auf gehortetes Geld!) eine Umlaufgebühr erhoben werden würde.

Quellen:

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Politik abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.