Die Notgeldausgaben des Kreises Torgau (1)

1. Einleitung
Im September 1988 beging die im Kulturbund der DDR, Gesellschaft für Heimatgeschichte, organisierte Fachgruppe Numismatik Torgau ihr 20jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass sollen mit vorliegender Broschüre die Ergebnisse einer im Auftrag des Bezirksfachausschusses Numismatik Leipzig durchgeführten Forschungsarbeit zu den Notgeldausgaben des Kreises Torgau der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Eine Begrenzung erfolgte dabei auf das Territorium des heutigen Kreises. Es wurde versucht, anhand zugänglichen Archiv- und Katalogmaterials einen möglichst vollständigen Überblick zu geben, für ergänzende Hinweise sind die Autoren jederzeit dankbar.

Gedankt sei an dieser Stelle den an der Forschungsarbeit beteiligten Fachgruppenmitgliedern, dem Stadtarchiv und der Kreissparkasse Torgau.

Die Notgeldausgaben des Kreises Torgau

2. Ursachen und Erscheinungsformen der deutschen Notgeldausgaben 1914 bis 1923
Der Beginn der Ausgabe von Notgeld ab 1914 in Deutschland war ursächlich verbunden mit der Auslösung des 1. Weltkrieges. Damit wurde eine inflationäre Entwicklung eingeleitet, die in der Folgezeit zu Notgeldausgaben in einem bisher nie gekannten Ausmaß führte.

Bereits am 04. August 1914 hob der Staat die gesetzliche Golddeckung der Währung auf und verfügte für die Notenbank das Recht zur Kreditierung der Haushaltsausgaben durch Ausgabe von Geldscheinen, die nicht gegen Gold eingelöst werden konnten. Damit war die Voraussetzung zur Finanzierung der Kriegskosten durch die Notenpresse gegeben.

Mit Beginn des Krieges machte sich im Zahlungsverkehr ein zunehmender Mangel an Kleingeld bemerkbar. Hauptursachen waren die Hortung des Metallgeldes durch die Bevölkerung aus Angst vor einem möglichen Währungsverfall sowie die Reduzierung des Bargeldes in den Grenzgebieten infolge der unsicheren Lage und ein erhöhter Bargeldbedarf durch Angstkäufe. In den besonders betroffenen Landesteilen gaben bereits ab August 1914 Städte, Gemeinden und andere Ausgabestellen Notgeld zur Behebung des Kleingeldmangels heraus, das nur eine territorial begrenzte Gültigkeit hatte. In den folgenden Kriegsjahren verschlechterte sich die Lage weiter, durch den Rohstoffmangel verringerte der Staat ständig die Neuausgabe von Metallgeld und ab 1916 stellte man die Prägung der Kupfer- und Nickelmünzen ohne ausreichenden Ersatz ganz ein. Zusätzlich entstand durch das ständig steigende Preisniveau ein höherer Bargeldbedarf.

Infolge der Unfähigkeit des Staates zur Behebung des Kleingeldmangels gaben in den Jahren 1916 bis 1920 eine Vielzahl von kommunalen Organen und andere Stellen eigenes Notgeld in Form von Münzen und Kleingeldscheinen heraus. Die rechtliche Grundlage bildete dafür ein Erlass der Regierung vom 15.10.1916 zur offiziellen Duldung dieser Ausgaben. Auch der Kreis Torgau beteiligte sich zu dieser Zeit an den Notgeldausgaben.

Für die Kriegsgefangenenlager des 1. Weltkrieges kam es zur Ausgabe von eigenem Lagergeld, so auch für das Offiziersgefangenenlager in Torgau. Das Lagergeld wurde in den ersten Kriegsjahren auf Veranlassung der Lagerkommandanten bzw. der Armeekorps ausgegeben und erst mit Erlass des Kriegsministeriums vom 15.01.1918 für alle Lager amtlich angeordnet. Das Geld war nur innerhalb der Gefangenenlager gültig und sollte dadurch Fluchtversuche verhindern.

Der 1. Weltkrieg endete 1918 mit der Niederlage und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands. Die Folge war ein schnelles Voranschreiten der Inflation durch bewusstes Abwälzen der Kriegs- und Reparationskosten auf die Schultern der Bevölkerung. Für die Menschen brachte das Hunger, Not und Elend durch Preissteigerungen und Senkung des Realeinkommens. Mit Voranschreiten der Inflation erreichte die Reichsbank ihre Leistungsgrenze, 1923 waren bereits 133 Druckereien mit der Papiergeldherstellung beschäftigt, damit Inflationsgeldscheine des Staates zur Verfügung standen. Trotzdem konnte der Bedarf nicht gedeckt werden, so dass wieder territoriale Stellen zur Selbsthilfe durch Ausgabe von Notgeld griffen. Gedruckt wurden zunächst Großgeldscheine ab 1918 in den Wertstufen bis 100 Mark, später in hohen Nominalen bis Billionen Mark. Das Preisniveau stieg bis auf das 1,2-billionenfache des Vorkriegsstandes, so kosteten z. B. am 15.11.1923 ein Pfund Brot 80 Milliarden Mark und ein Pfund Fleisch 900 Milliarden Mark.

Während der Jahre 1921 bis 1923 gaben aber auch noch eine große Anzahl von Städten, Gemeinden und andere Stellen Kleingeldscheine in meist großen Auflagen und Serien heraus, obwohl diese Wertstufen im Geldverkehr infolge des gestiegenen Preisniveaus immer weniger gebraucht wurden. Hauptgrund der Ausgabe war das Interesse von Sammlern an diesen Scheinen, so dass sich für die Ausgabestellen eine zusätzliche Einnahmequelle zur Aufbesserung ihrer Finanzen ergab.

Die Zuspitzung der Inflation führte im Zusammenwirken mit politischen Faktoren selbst zu ihrem Ende, weil nur so eine Revolutionierung der Massen verhindert und die politische Labilität in Deutschland überwunden werden konnte. Erste Stabilisierungsversuche erfolgten ab August 1923 mit der Herausgabe des wertbeständigen Notgeldes, das auf Sachwerte bzw. auf Goldmark einer wertbeständigen Anleihe des Staates lautete. An der Ausgabe beteiligten sich auch wieder territoriale Ausgabestellen, so auch der Kreis Torgau.

Mit Einführung der Rentenmark im November 1923 konnte das Währungssystem, endgültig stabilisiert werden. Anfangs lief das Inflationsgeld noch gleichzeitig mit um, das Wertverhältnis betrug 1 Rentenmark = 1 Billionen Papiermark der Inflation.

Auf die während der einzelnen Notgeldperioden im Kreis Torgau ausgegebenen Münzen und Geldscheine wird in den folgenden Abschnitten näher eingegangen. Daneben war es aber auch möglich, dass in Torgau Notgeld fremder Ausgabestellen kursierte. So weist die Aktiengesellschaft Lauchhammer in einer Anzeige im Torgauer Kreisblatt vom 04.12.1918 darauf hin, dass sie die Hälfte des Lohnes für ihr Stahlwerk Torgau (jetziges Gelände der Firma Villeroy & Boch) in Gutscheinen (Notgeld) der Firma auszahlen muss und bittet um Annahme in den Geschäften.

Autoren:
Detlev Arlt und Fritz Walter

Quellenverzeichnis:
- P. Menzel, Deutsche Notmünzen und sonstige Geldersatzmarken 1873 bis 1932, Transpress-Verlag Berlin 1982
- H. Funk, Notgeldscheine 1914—1948 — Wesen und Erscheinungsformen, Kulturbund der DDR, Bezirksleitung Leipzig 1979
- A. Keller, Verschiedene Kataloge über deutsche Notgeldscheine, Battenberg Verlag München 1976—79
- Torgauer Kreisblatt und Torgauer Zeitung, Jahrgänge 1914 bis 1924
- Protokolle der Stadtverordnetenversammlungen Torgau und Dommitzsch 1914 bis 1924

Herausgeber:
Kulturbund der DDR
Gesellschaft für Heimatgeschichte
Fachgruppe Numismatik Torgau

Fotos:
Martin Etzroth, Belgern

Klischees:
Interdruck Leipzig

Satz und Druck:
Druckerei Kopielski Torgau

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